Erzählcafé-06.07.23

Danach ist nichts mehr wie es war

Die Aktion für krebskranke Kinder Mannheim stellt sich vor.

39 Jahre ist es nun her, dass die kleine Tochter Elfriede Breiters die Diagnose Morbus Hodgkin erhielt. Davor hatten die Fachleute wochenlang im Nebel gestochert und die Familie bewegte sich in einem emotionalen Wechselbad, das von der Überzeugung »nur ein paar kleine Knötchen« bis zur bangen Frage »Was macht mein Kind auf der Kinderkrebsstation? « reichte. Zwei große Operationen und eine belastende Behandlung über sechs Monate ertrug die lebhafte Sechsjährige tapfer. Elfriede Breiters Gedanken kreisten um das Wohlergehen des Kindes und sie tat alles, was die Situation auf der Station erträglicher machen konnte. Noch gab es dort wenig Infrastruktur und strenge Regeln, die den Angehörigen nur begrenzte Spielräume gaben. Aber auch das schlechte Gewissen gegenüber der ein Jahr älteren Schwester des kranken Kindes, die notgedrungen etwas kürzer kam, war ständiger Begleiter. Von ihren Chefs – sie arbeitete halbtags bei einer Kanzlei – erhielt die Rechtsanwaltsfachangestellte alle Unterstützung, die sie brauchte. Das Kind überwand den Lymphdrüsenkrebs und ist heute eine gesunde Frau mit eigenen Kindern.

Die spezifischen Erfahrungen brachten Elfriede Breiter zur Aktion für krebskranke Kinder Mannheim, die 1979 vom Ehepaar Stachniss gegründet wurde, nachdem dessen Sohn im Alter von fünf Jahren an akuter lymphatischer Leukämie verstorben war. Schwerpunkt der Gründer:innen und ihrer Mitstreiter:innen war es zunächst, die Forschung zu unterstützen, um die Heilungschancen zu verbessern. Martin Stachniss war von Anbeginn 1. Vorsitzender des Vereins und Gisela Stachniss-Schmälzle die Schatzmeisterin. Im Juli 2017 gaben sie ihre Ämter in die Hände Jüngerer. Seither ist Dr. Gregor von Komorowski der erste Vorsitzende. Der Kinderarzt arbeitete ab 2005 zehn Jahre auf der Kinderonkologie, bevor er sich in eigener Praxis niederließ. Als »Überbringer der schlechten Nachricht« hatte er die unangenehme Aufgabe, die Eltern im Erstgespräch über die Diagnose aufzuklären. Aber er war auch Begleiter bei der Therapie und oft entwickelte sich ein »spezielles Vertrauensverhältnis«, das »erfüllend« war, insbesondere, wenn das Kind wieder gesund wurde.

Gregor von Komorowski berichtet über die lange Geschichte der Kinderonkologie, die nicht immer glorreich war. Wurden noch in den sechziger Jahren an Krebs erkrankte Kinder auf die Sterbestation für Erwachsene gelegt, so sind heute die Behandlungsbedingungen dank der Lobbyarbeit der Elternvereine erheblich kindgerechter und die Heilungschancen deutlich erhöht. So werden beispielsweise an Leukämie erkrankte Kinder zu 90 Prozent geheilt. In Deutschland erkranken jährlich 2.000 bis 2.500 Kinder an Krebs. Behandelt werden sie ausschließlich in spezialisierten Zentren. Eines davon – und zwar ein besonders erfolgreiches, wie der Fachmann betont –, ist das Mannheimer am Universitätsklinikum. Hier werden jährlich etwa 40 Kinder neu aufgenommen.

Sehr erfolgreich war auch die rein spendenfinanzierte Deutsche Leukämie-Forschungs-Hilfe (DLFH) – Aktion krebskranke Kinder Ortsverband Mannheim. So sorgt der Verein dafür, dass auch die psychische Situation aller Beteiligter Beachtung findet, beispielsweise durch die Bereitstellung von Psycholog:innen. Den betroffenen Kindern auf der Station, die für manche zur »zweiten Heimat« wird, bietet er ein tolles Programm (Clown, Musik, Sport, Ausflüge zu den Spielen der Adler, Wunschfee …), und den Eltern ein Haus, in dem Zimmer zur Übernachtung bereitstehen – inzwischen auch zwei Appartements für die ganze Familie. Selbstredend ist dort außerdem Raum für Austausch und Unterstützung in schwierigen emotionalen Situationen. Leiterin des Elternhauses und fast rund um die Uhr dort erreichbar, ist Elfriede Breiter (seit 1987 auch Schriftführerin des Vereins). Und es gibt die »Young Survivors«, ein Projekt des Vereins, das im Februar 2010 gestartet ist. Hier können inzwischen gesunde und natürlich auch noch in Therapie stehende junge Erwachsene untereinander Kontakte knüpfen, sich austauschen und gemeinsame Aktivitäten unternehmen und mitgestalten.

»Viele Probleme bleiben«, konstatiert der engagierte Vorsitzende. Die Kinder und Jugendlichen bräuchten Kindergarten, Schule und Sport. Und manche kommen nicht ganz gesund aus der Behandlung. So entwickelt sich die Aktion krebskranke Kinder Ortsverband Mannheim, die ca. 400 Mitglieder (meist Eltern betroffener Kinder) hat, stetig weiter und überlegt  immer wieder wegweisende Konzepte (z. B. familienorientierte Rehabilitation – ein Reha-Aufenthalt für die ganze Familie), die dann tatkräftig angegangen werden.Erzählcafé-Leukämie-2