Erzählcafé des Gesundheitstreffpunkts

Auftakt unter schwierigen Rahmenbedingungen

Thema Sucht: »Die Lotsen« und Nova Vita stellen sich vor

Sheila Küffen, die Vorsitzende des Mannheimer Freundeskreises »Die Lotsen« e. V. berichtete zunächst über Entstehung und Hintergrund des 1963 gegründeten Vereins. Ziel war ursprünglich die Betreuung von alkoholgefährdeten Menschen. Heute ist die Selbsthilfegruppe Anlaufstelle für Alkohol- und Medikamentenabhängige sowie deren Angehörige. »Die Lotsen« beraten, klären auf und streben ein Leben in Abstinenz von Suchtmitteln an. Selbst nie abhängig, war das Leben Sheila Küffens von Kindheit an von der Alkoholabhängigkeit des Vaters geprägt, die nach außen verschwiegen werden musste. Zum Freundeskreis »Die Lotsen« kam sie mit 26 Jahren. In der Praxis ihrer Therapeutin fand sie den Flyer des Ver­eins. Von Anfang an fühlte sich die junge Frau dort gut aufgenommen, die freundliche familiäre Atmosphäre gefiel ihr. Das Haus in M 7, 22, wo die Gruppentreffen stattfinden, wurde neben Wohnung und Arbeitsplatz zu ihrem Lebensmittelpunkt.  Auch ihren Mann lernte sie dort kennen. Sheila Küffen brachte sich nach und nach mehr ein und übernahm Verantwortung für den Verein. Als Vorsitzende ist sie zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit und leitet Gruppensitzungen. Aktuell treffen sich acht Gruppen regelmäßig.

 

Nova Vita Mannheim-Waldhof e. V. steht grundsätzlich Menschen mit Süchten aller Art offen. Auch dieser Verein verfolgt bei Beratung und Aufklärung das Ziel, den Klient:innen ein »neues Leben« ohne Suchtmittel näher zu bringen. Er wurde 1999 gegründet und tauscht sich in drei Gruppen regelmäßig aus. Freimütig gaben die 1. Vorsitzende Silvia Ringer und Mitglied David einen Einblick in ihre Sucht-»Karriere«.
Nach und nach schlich sich der Alkohol als Stimulator in das Leben von Silvia Ringer ein. Die junge Erwachsene fühlte sich leistungsfähiger und ihren vielfältigen Aufgaben in Familie und Beruf gewachsener, wenn sie ein paar Gläser getrunken hatte. Sie funktionierte.  Als die Schwierigkeiten in der Arbeit nicht mehr zu übersehen waren, stellte sie sich ernsthaft ihrem Problem und lernte ihre Freizeit für sich zu nutzen. Dabei half ihr auch »Nova Vita«. 2014 wurde sie 2. Vorsitzende des Vereins und übernahm den Vorsitz, als der langjährige Vorsitzende das Amt aufgab und keine andere Person bereit war, in seine Fußstapfen zu treten. »Ich konnte mein Baby doch nicht sterben lassen. « Seit fast 20 Jahren trocken, weiß Silvia Ringer den Verführungen souverän zu begegnen, in ihrer Firma ist sie Suchthelferin.

Die Lotsen und Nova Vita

David, der aus einer russlanddeutschen Familie stammt, machte mit 13, 14 Jahren erste Erfahrungen mit der Wodkaflasche. Für den Jüngsten von sieben Kindern war das Dazugehören, etwas aushalten angesagt. Bald kamen andere Drogen dazu. In der Schule kam er irgendwie durch, obwohl er in der Berufsschule öfters schwänzte und lieber kiffte. Ein bestimmter Lifestyle, das schnelle Leben und die Drogen, die man dabei konsumieren musste, faszinierten ihn. Er probierte alles aus, gewöhnte sich an die wechselnden körperlichen und psychischen Zustände. Mit 21 Jahren war er auf seinem Zenit, wurde bewundert, mit 24 Jahren auf dem Tiefpunkt. Sein Umfeld, die Familie und die damalige Freundin wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Kurz davor, auch noch seinen Job zu verlieren, folgte der physische und psychische Zusammenbruch und schließlich der »Turn-around«. Er vertraut sich dem betrieblichen Suchtberater an und begibt sich in Therapie. In der Klinik fühlt er sich wie »unter einer Käseglocke«, trifft die Entscheidung, sich von den Drogen fernzuhalten, macht Sport. Seit acht Jahren ist er »sauber«. Erst vor einem Jahr, nun Anfang 30, findet er zu »Nova Vita«. Hier habe er seinen »größten Wachstumsschub« gehabt, »die Leute reden über das, was sie beschäftigt und versuchen, ihr Leben zu optimieren.«

Das interessante, offene und mutige Gespräch hätte deutlich mehr Publikum verdient und wäre sicher für viele Menschen aufschlussreich gewesen. Aber nur eine Handvoll Hartgesottener nahm die Gelegenheit wahr, sich zu informieren. Diese allerdings hingen trotz Nässe und Kälte den drei überzeugenden Botschafter:innen der Selbsthilfe, die ihren eigenen Lebensweg in der Sucht und wieder heraus eindringlich schilderten, an den Lippen. Dass so wenige zum Erzählcafé fanden, lag nicht nur am Wetter. Bereits kurz nach der Eröffnung der Bundesgartenschau zeichnete sich nach erster Inaugenscheinnahme ab, dass es die im nordwestlichsten Zipfel des BUGA-Geländes gelegene Freilichtbühne schwer haben würde, ihr Publikum zu erreichen. Die abseits der eigentlichen BUGA-Attraktionen liegende Lokalität mit einem vom Weg nicht einsehbaren Bühnenraum, vor dem die Betonstufen im Freien kaum zum Sitzen einladen, verhieß nichts Gutes. Auf Wunsch des Veranstalters wurde die Fläche bestuhlt. So bleibt nun zu hoffen, dass es sich bald herumsprechen wird, welch interessante Veranstaltung donnerstags zwischen 14 und 16 Uhr in der hintersten Ecke der BUGA stattfindet.