Beeindruckend offen und kenntnisreich berichteten Maria und Hans von der Selbsthilfegruppe »Clutterers Anonymous« (CLA) beim zweiten Erzählcafé von ihren Problemen und wie es gelingen kann, sie in den Griff zu bekommen. Viel zu viel Kram, Durcheinander, mit allerlei Zeug belegte Treppen, Kisten und Kartons überall, Sofas und Tische voll und am Ende nur noch schmale Wege, um durch die Wohnung zu gehen, so sieht es bei »Clutterers« aus. Und die Scham, jemanden in dieses vollgestopfte eigene Heim zu lassen, ist groß.
Bei Maria begann die Sammelsucht vor etwa 20 Jahren. Sie kaufte »wahnsinnig viel« und wie sie heute weiß, um einen extremen Mangel aus der Kindheit auszugleichen. Im Gedanken »Das, was da ist, ist mir sicher«, wurden Gegenstände, vor allem Kleidungsstücke zum Ersatz für fehlende Kontakte und Beziehungen.
Hans malt und zeichnet sehr gerne und kommt auf zigtausende von DIN-A-4-Blättern, die er in Ordner heftet. Aber er sammelt auch potentielles »Collagematerial« – z. B. kostenlose Zeitschriften –, das er vermutlich nie verwenden wird.
Vor fünf Jahren haben die beiden die CLA-Gruppe als dritte in der Bundesrepublik ins Leben gerufen. Daneben gibt es noch eine in München und eine in Berlin. Das 12-Schritte-Programm – in Anlehnung an die Anonymen Alkoholiker (AA) – bietet die Gruppe eine spirituelle Unterstützung für eine ganzheitliche Heilung dieser Sucht an. Ob es angenommen wird, bestimmt jede und jeder selbst. Wichtig für alle ist die Möglichkeit, im Austausch mit anderen ähnlich Betroffenen »Kraft zu tanken« und Erfahrung und Hoffnung zu teilen. Für Hans ist die Gruppe wie eine Familie, die ihm Halt gibt, und er schätzt, dass man sich umeinander kümmert. Auch Freundschaften entstehen über die Jahre.
Maria erklärt den Unterschied zu den »Messies«, ein Begriff, den sie nicht mehr benutzen möchte, da er von Nicht-Betroffenen sofort mit einem Vermüllungs- und Verwahrlosungssyndrom assoziiert wird. Die meisten „Clutterer“ haben hauptsächlich eine „Wertbeimessungsstörung“ (1. Stufe des Sammelns und Hortens). Das heißt, der Wert und Nutzen von Gegenständen kann nicht angemessen beurteilt werden. Verschlimmert sich das Syndrom, kann in der 2. Stufe das Vermüllungssyndrom dazukommen und schließlich – als 3. Stufe – das Verwahrlosungssyndrom, bei dem dann nicht nur die Wohnung verwahrlost ist, sondern auch der betroffene Mensch selbst.
Bei Menschen, die chronisch horten, sind Wirrwarr und Durcheinander im Kopf oder Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen im Alltag, ständige Begleiter. Das größte Problem ist das Loslassen/Wegwerfen von Gegenständen, weil der Clutterer dadurch befürchtet, einen Teil von sich selbst und/oder seiner sicheren Umgebung zu verlieren. Und immer ist es aus Marias Sicht richtig, sich Hilfe zu holen, sei es in einer Psychotherapie, wo die Hintergründe aufgearbeitet und die Störungen behandelt werden können, oder in Form professioneller Hilfe beim Aussortieren und Aufräumen. Denn tatsächlich handelt es sich hierbei keineswegs um eine Lappalie, »pathologisches Horten« ist eine anerkannte psychische Krankheit.
Die Mannheimer CLA-Gruppe trifft sich jeden 4. Mittwoch im Monat (19 bis 20.30 Uhr) im Bürgerhaus Neckarstadt-West (Lutherstraße 17). Daneben gibt es montags von 17-18 Uhr ein regelmäßiges bundesweites Telefonmeeting. Man wählt die Telefonnummer 0221/98203406. Nachdem eine Stimme von Conference-Call gesprochen hat, gibt man folgenden Code ein: 6384900#. Es ist aber nur für Betroffene gedacht, nicht für Angehörige oder Interessierte!