18.5.2023: Vortrag von Prof. Dr. Gerhard Goebel und anschließendes Podiumsgespräch mit Vertreter:innen der Selbsthilfegruppen Tinnitus Oftersheim und Schlappohren Heidelberg/Mannheim.
Ein Pfeifen im Ohr oder Rauschen im Kopf haben die meisten schon einmal erlebt. Was aber, wenn diese Ohrgeräusche bleiben? Woher kommt das Phantomgeräusch und was sollte bei Diagnostik und Therapie beachtet werden? Diesen Fragen ging mit größter Fachkenntnis und gleichzeitig mit Leichtigkeit und Humor Prof. Gerhard Goebel – ehemaliger Chefarzt der Klinik Roseneck in Priem am Chiemsee – nach.
Von den jährlich 19 Millionen akuten Tinnitus-Ereignissen gehen jährlich ca. eine Viertel Million in eine chronische Form über: Der ein- oder beidseitige Ton im Ohr oder Kopf bleibt über viele Jahre permanent hörbar trotz früher Behandlungen der möglichen Auslöser (z.B. nach Disko- oder Rockkonzertbesuch, Knalltraumata, nach Hörsturz oder anderen Entwicklungen einer Schwerhörigkeit). Die Mechanismen dieser Chronifizierung sind bis dato jedoch nicht vollständig verstanden. Festlegungen auf Pauschalhypothesen wie Durchblutungsstörung oder Stress werden der Differenziertheit des Tinnitus nicht gerecht. „Tinnitus kann nicht ursächlich behandelt werden!“ und „Am besten versuchen Sie Ihren Tinnitus zu vergessen!“ waren zwei Schlussfolgerungen aus seiner über 30-jährigen Forschungs- und Therapieerfahrung, die Prof. Goebel den zahlreichen Besuchern an der Freilichtbühne zurief. Er ist Mitglied in einer Kommission, die sich zusammensetzt aus Fachgesellschaften und Selbsthilfeverbänden und unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie die sogenannte S3-Leitlinie für die Behandlung von Tinnitus erarbeitet hat. Er berichtet, dass Nahrungsergänzungsmitttel und andere Medikamente gegen Tinnitus im chronischen Stadium nicht empfohlen werden, da die Wirksamkeitsnachweise dafür fehlten. Nachweislich wirksam für den Umgang mit den Ohrgeräuschen sei jedoch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe, die er sehr empfiehlt.
Diese Wirksamkeit wurde auch in dem an den Vortrag anschließenden Podiumsgespräch mit je zwei Aktiven aus den Selbsthilfegruppen Tinnitus Oftersheim und Schlappohren Heidelberg/Mannheim deutlich. Sie berichteten, wie der lange Weg durch unterschiedliche Arztpraxen oft in einer Sackgasse mündete. Wie hilfreich der Austausch in der Selbsthilfegruppe erlebt wurde und wie dort Mut für nächste Schritte gefunden wurde. Betroffene aus dem Publikum konnten Empfehlungen zum persönlichen Umgang mit dem Ohrgeräusch mitnehmen und auch detaillierte Fragen wurden mit Kompetenz und Engagement beantwortet. So war am Ende des informativen und kurzweiligen Nachmittags der Tinnitus vielleicht nicht völlig vergessen aber es zeigte sich, was jede/r Betroffene selbst für ein leichteres Leben mit dem Ohrgeräusch tun kann.