Verrückt? Na und!
So lautet der Titel eines Modellprojektes, das die nationalen Gesundheitsziele »Gesund aufwachsen« und »Depressive Erkrankungen verhindern« verfolgt. Anbieter ist der bundesweit agierende eingetragene Verein »Irrsinnig menschlich«, der seit 20 Jahren Programme zur Entstigmatisierung psychischer Krankheiten an junge Menschen in Schule, Ausbildung, Beruf und Studium heranträgt. Reinhild Beermann vom Selbsthilfebüro Heidelberg ist Koordinatorin für dieses Präventionsprogramm, das sich an Schulen ab der achten Klasse richtet, und baut es gerade in Heidelberg, unterstützt durch die Stadt Heidelberg – auf.
An diesem besonderen Schultag – in einer ca. fünfstündigen Unterrichtseinheit – gibt es für Schüler:innen und Lehrkräfte nicht nur Informationen über psychische Störungen und Adressen von Hilfeangeboten, sondern auch die Möglichkeit des offenen Austauschs über eigene Nöte. Durchgeführt wird das Training von zwei Personen, die beruflich oder persönlich Erfahrungen mit psychischen Krisen und deren Bewältigung haben. »Insbesondere, wenn die Betroffenen erzählen, ist es mucksmäuschenstill im Klassenzimmer«, berichtet Reinhild Beermann. Lehrer:innen betonen, dass sie an solchen Schultagen mehr über ihre Schüler:innen erfahren als sonst im ganzen Jahr und sicherer werden im Umgang mit psychischen Problemen.
„Ein Raum, in dem ich gestärkt werde.“
So beschreibt Stefanie Lenze ihre persönliche Erfahrung in der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Depressionen (avmd) Mannheim. Seit 2018 ist die junge Frau dabei. Ihr Lebensgefährte steckte zu der Zeit in einer schweren depressiven Episode und sie selbst brauchte dringend Gesprächspartner:innen, mit denen sie die durch die Erkrankung des Freundes entstandene Belastung teilen konnte. Die Verantwortung und die pflegende Rolle, die sie quasi automatisch übernommen hatte, gepaart mit inneren Rollenkonflikten und Schuldgefühlen konnte sie in der Gruppe bearbeiten. »Ich war in einem emotional hilflosen Zustand«, beschreibt Bianca Beyer die Situation, die sie 2014 veranlasste, sich der avmd-Selbsthilfegruppe anzuschließen. Kurz vor Ende seiner (und ihrer) Berufstätigkeit war ihr Mann in eine schwere depressive Krise geraten.
Beide Frauen betonen, wie wichtig die Gruppe für die eigene Stabilisierung war. Bianca Beyer leitete die Gruppe viele Jahre. Nachdem die Gruppenarbeit durch die Pandemiebestimmungen deutlich erschwert war und die Gruppe in zwei getrennt werden musste, holte sich die Leiterin Unterstützung bei Stefanie Lenze, die seither eine der beiden Gruppen führt, die sich einmal im Monat treffen. Gegenseitiger Respekt und Verschwiegenheit sind hier die Gruppenregeln, die den offenen Austausch fördern.
Übereinstimmend wünschen sich beide Fachfrauen mehr Aufmerksamkeit für die Nöte der Angehörigen beim medizinischen Personal.