ECafé 10.08.2023

»Einander zuwenden …«

Was Normalhörende schätzen, ist für Leute, die wenig oder nichts hören können, grundlegend: Das zugewandte Sprechen. Eindrucksvoll berichteten drei Menschen mit Hörproblemen wie sie es geschafft haben, die vielfältigen Hürden im Alltag zu überwinden: Thomas Haase vom Cochlear Verband (CIV) sowie  Britta Jürgensen und Aytac Taflan von der Selbsthilfegruppe Schlappohren.

Thomas Haase

Bei Thomas Haase begannen die Hörprobleme mit einer Meningitis in der Kindheit, durch die das linke Ohr geschädigt wurde. Nicht nur die Hörprobleme machten ihm zu schaffen, sondern auch die Reaktion der Umgebung darauf. Mitunter wurde er aufgrund der Einschränkung gar als »dummer Bub« angesehen. Im Alter von 27 Jahren spürte er, wie das Hören immer schwieriger wurde. Er behalf sich mit Hörgeräten und kämpfte sich durch. Erst 2005 erhielt er – nach zahlreichen Beratungen – ein Cochlear Implantat links und kurze Zeit später rechts. Die Implantate ermöglichten ihm ein relativ normales Hören, sogar die geliebte Musik war wieder ein Genuss. Und er lernte das Spielen der Zitter, eine musikalische Kostprobe gab er dem andächtig lauschenden Publikum zum Auftakt des Gesprächs.

Festgestellt wurde eine gewisse Hörschwäche bei Britta Jürgensen schon im fünften Lebensjahr nach einer Masernerkrankung. Gemessen wurde sie im Alter von 17. Erst mit 30 Jahren bekam sie das erste Hörgerät, das sie damals noch unter langen Haaren versteckte. Im Beruf hielt sie sich im Hintergrund, im Privatleben vermied sie Situationen, in denen sie mit ihrer Einschränkung auffallen konnte. Nachdem sie aufgrund ihres Handicaps den Job verlor, wandte sie sich 2013 der Selbsthilfegruppe Schlappohren zu, lernte dort, damit umzugehen und baute ihr Selbstvertrauen aus.

Mit etwa 20 Jahren hatte Aytac Taflan einen Hörsturz in dessen Folge seine Hörfähigkeit deutlich schlechter wurde. Er schloss sich der Selbsthilfegruppe Schlappohren 2012 an und erhielt hier wesentliche Unterstützung. Bis 2019 behalf er sich mit immer stärker werdenden Hörgeräten. Doch das linke Ohr versagte komplett, so dass er sich 2019 zu einer Cochlear Implantation entschloss. »Nun bin ich links hörend und rechts schwerhörig« beschreibt er seine aktuelle Situation.

Alle drei schildern, wie anstrengend, trotz aller technischen Hilfen, das Mithalten im Alltag ist. »Man braucht eine Vertrauensperson im Job« erzählt Britta Jürgensen, die in ihrem Beruf als Medizinische Fachangestellte inzwischen Teamleiterin ist. Auch in der Behandlung durch die HNO-Ärzte fehlt mitunter die nötige Sensibilität, wenn beispielsweise mit einem Patienten, der seine Hörgeräte nicht trägt, so gesprochen wird, als ob er Hörender wäre. »Akustiker gehen besser mit uns um«, erzählt Aytac Taflan aus dem Nähkästchen. Und natürlich gibt es bei den Schlappohren eine Liste von Behandler*innen, in die eigene positive Erfahrungen eingeflossen sind. Thomas Haase konzentriert sich in seiner Selbsthilfegruppe auf die Beratung. Er steht Cochlearimplantierten bei, bringt aber Wissen und Erfahrung auch in der Fortbildung professioneller Helfer*innen ein.

Die Schwerhörigkeit annehmen und sich nicht verstecken ist ein Rat, den die drei mitgeben. Aber auch Geduld und Ausdauer ist wichtig, um die technischen Möglichkeiten optimal zu nutzen. Und ein Mann aus dem Publikum, der selbst ein Cochlearimplantat trägt, ergänzt: Man muss Mut haben und nicht aufgeben, die Technik ist besser als ihr Ruf.

collage-Erzählcafé-10.08.2023