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Alphabetisierung: » Situationen meistern und nicht auffallen! «

Einen Eindruck davon, wie es sein mag, schlecht oder gar nicht lesen und schreiben zu können, vermittelten drei Betroffene, allesamt Vorstandsmitglieder der Selbsthilfegruppe Analphabetinnen und Analphabeten Ludwigshafen-Mannheim (SaLUMA). Karlheinz Maurer, Gudrun Völker und Thorsten Böhler berichteten über ihren Alltag in Beruf und Familie und ihren Weg zu mehr Verständnis der Schrift. Formulare ausfüllen, Rechnungen und schriftliche Mitteilungen lesen, sind Hindernisse, die es tagtäglich zu überwinden gilt. Vom Lesen von Zeitschriften oder Büchern gar nicht zu reden. Oft mogeln sich Betroffene mit Ausreden darum herum oder haben ihre Hilfspersonen, die solche Notwendigkeiten für sie erledigen.

Dabei sind die Hintergründe und Ursachen für das Defizit vielfältig. Während es bei Karlheinz Maurer und Gudrun Völker die miserablen familiären Bedingungen in Kindheit und Jugend waren, die der schulischen Bildung der Kinder nicht annähernd den Raum gaben, den sie für eine »normale« Entwicklung gebraucht hätten, war es bei Thorsten Böhler eine Hirnhautentzündung, die sein Schreibvermögen ausbremste. Und dennoch: Alle drei haben als Erwachsene unter anderem in Volkshochschulkursen hart daran gearbeitet, ihre diesbezüglichen Fähigkeiten auszubauen. Und alle drei waren trotz ihres Handicaps in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Karlheinz Maurer arbeitete als Lagerist, Thorsten Böhler schloss eine Lehre als Pferdepfleger ab und arbeitet in diesem Beruf auf einem Reiterhof. Gudrun Völker, die als Küchenhelferin in einem Seniorenheim beschäftigt war, fiel ihrem Chef wegen ihrer besonderen Fähigkeiten im Umgang mit dementen Bewohner:innen auf und er ermunterte sie, den Betreuungsschein zu machen. Sie schaffte ihn bravourös und arbeitete fortan als Alltagsbegleiterin für Demente, bis der Vorgesetzte wechselte, dem sie die Dokumentationspflicht zu langsam erledigte.

Elfriede Haller, die viele Jahre als Kursleiterin im Alphabetisierungsbereich tätig war, begleitet und unterstützt nicht nur die Betroffenen bei SaLUMA, sondern ist seit langem eine engagierte Kämpferin für die Förderung von Menschen ohne Schreibvermögen. Als die Mittel für Alphabetisierungskurse in den 90er Jahren drohten, gekürzt zu werden, ging sie mit anderen Engagierten an die Öffentlichkeit.

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»Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans! «

Für ihren Videofilm »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans …?! « erhielten die Teilnehmer*innen des Lese- und Schreibkurses der Volkshochschule Ludwigshafen 2000 den Förderpreis Medienpädagogik des SWR. 2003 erfolgte die offizielle Gründung der Selbsthilfegruppe zunächst in Ludwigshafen, später weitete sie ihren Aktionsradius auf Mannheim aus. Die Gruppe half und hilft nicht nur Betroffenen vor Ort, sondern leistete Überzeugungs- und Pionierarbeit in ganz Deutschland. Die Wichtigkeit der Alphabetisierung wurde in Politik und Institutionen erkannt und die Jahre zwischen 2016 und 2026 als nationale Dekade der Alphabetisierung ausgerufen.

 

»Mehr Geld in Bildung und zwar jetzt!«

Schätzungen gehen von 6,2 Millionen Betroffener in der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands aus. »Da liegen Potentiale brach«, weiß Elfriede Haller und berichtet von zusätzlichen Rückständen, die durch die Pandemie entstanden sind. Ihre Forderung ist klar: »Mehr Geld in Bildung und zwar jetzt! « Karlheinz Maurer hofft, durch die vielfältigen Aktionen von SaLUMA mehr Menschen zu erreichen, die sich hoffentlich auch trauen, zu ihrem Problem zu stehen und etwas dagegen zu tun. Thorsten Böhler verweist darauf, dass es jedem passieren könne und hat mit Coautorin Edith Knutsen sogar ein Buch über das Thema geschrieben (»Linas Abenteuer«). Gudrun Völker wünscht sich, dass alle Kinder bereits im Kindergarten gefördert werden und in der Schule mehr auf solche Schreibschwächen geachtet wird.

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