Politik und Selbsthilfe

Der Gesundheitstreffpunkt Mannheim setzt sich seit seinem Bestehen für die Weiterentwicklung des Sozial- und Gesundheitswesens ein. Die Aktiven aus den Selbsthilfegruppen haben den Anspruch, gestaltend an der Stadtgesellschaft mitzuwirken. Im Rahmen der  Vernetzung der Mannheimer Selbsthilfegruppen werden gemeinsam wichtige Themen und  Vorhaben vorwärts bewegt. Aktive Vertreter:innen der Regionalen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen Mannheim haben die Oberbürgermeisterwahl zum Anlass genommen, den 4 Kandidat:innen mit Unterstützung durch Fraktionen des Gemeinderats Fragen zu stellen,  um deren Vorstellungen im Hinblick auf sozial- und gesundheitspolitische Anliegen besser kennenzulernen. Herzlichen Dank an die drei Kandidat:innen, die uns geantwortet haben, für ihre Mitarbeit! 

Die Fragen und jeweiligen Antworten können Sie hier nachlesen. Wir haben die Rückmeldungen der Kandidat:innen in der Reihenfolge des Eingangs bei uns aufgeführt.

1. „Ehrenamtliche Arbeit“ ist die Basis der Selbsthilfearbeit und ist das Wichtigste, d.h., die Unterstützung der Betroffenen und deren Angehörigen stehen im Vordergrund der Gruppenarbeit. Leider wird zu viel Aufwand für Verwaltung etc. benötigt. Es wird zunehmend Hilfe benötigt, um Verwaltungsarbeiten „professionell“, wie Schriftverkehr, Buchhaltung, Kassenführung, Beantragung von Fördermitteln, Vereinswesen und Beratung der Gruppenleitungen etc., zu erledigen. Viele Ehrenamtliche scheuen davor zurück.
Was werden Sie tun, um zukünftig den Aufgaben des Ehrenamts gerecht zu werden? Wo setzen Sie Ihre Schwerpunkte in diesem Bereich?
Stichworte: Akzeptanz – Öffentlichkeitsarbeit – Nachwuchs – Unterstützung

Antwort Isabell Belser: 
Da ehrenamtliche Arbeit eine wesentliche Stütze der demokratischen und sozialen Gesellschaft ist, braucht es für die Bewältigung des zunehmenden Verwaltungsaufwandes eine kommunale Anlaufstelle v.a. für kleinere Gruppen Ehrenamtlicher oder für einzelne z.B. pflegende Angehörige.
Größere Organisationen wie der Gesundheitstreffpunkt, die solche Unterstützung für Selbsthilfegruppen und Einzelne schon leisten, aber nicht genügend Arbeitskraft dafür zur Verfügung haben, brauchen seitens der Kommune eine höhere Finanzausstattung. Die Einsparungen, die seitens der Kommune hinsichtlich gezielterer Förderung durch detaillierte Antragstellung, durch Controlling und Digitalisierung erreicht werden, müssen auf Seiten der Ehrenamtlichkeit als Voraussetzung für eine funktionierende Kooperation zwischen Öffentlicher Hand und Ehrenamt teilweise in Form von Personalkostenzuschüssen reinvestiert werden.

Für kleine ehrenamtliche Einheiten müssen neben der o.g. kommunalen Unterstützung leicht handhabbare Tools zur Verfügung gestellt werden, um die Selbstverwaltung und die Kommunikation mit der öffentlichen Hand zu stabilisieren.
Ehrenamt ist einerseits nicht dazu da, öffentliche Leistungen zu ersetzen, andererseits erbringt es Leistungen, die öffentliche Institutionen so gar nicht erbringen können. Sie sind damit Teil der Daseinsvorsorge und der gelingenden Gesellschaftsentwicklung. Eine Anerkennung für ehrenamtlich Tätige ist neben diversen Ehrungen die Gestaltung eines Bonus in Angriff zu nehmen – sei es eine finanzielle Unterstützung bei Fahrtkosten oder die Ausgabe von Gutscheinen für kulturelle, sportliche oder sonstige Veranstaltungen.

Antwort Thorsten Riehle:
Ich bearbeite schon seit längerer Zeit das Thema „Ehrenamt“, weil ich wahrgenommen habe, dass ein großer Widerspruch besteht zwischen den „Sonntagsreden“, in denen stets ein Loblied auf ehrenamtliches Engagement gesungen wird und den hohen Hürden, bestehend aus Auflagen, Bürokratie, Antragsflut, die Ehrenamtliche überwinden müssen. Deshalb ist mein Ziel, die Bürokratie hinsichtlich ehrenamtlicher Arbeit abzubauen.
Lotsen in der Verwaltung sollen die Ehrenamtlichen beraten und über komplette Prozesse hinweg begleiten. Gerade im Bereich der Selbsthilfegruppen ist der niedrigschwellige Zugang wesentlich. Sie sind eine unschätzbare Stütze der Stadtgesellschaft, da sie Aufgaben übernehmen, die ansonsten nicht zu bewältigen wären.
Alle ehrenamtlich engagierten Menschen in unserer Stadt, Selbsthilfegruppen, Vereine und Projekte sollen in Zukunft wissen, an welche Stelle bei der Stadt sie sich mit allen ihren Anliegen wenden können. Darüber hinaus werde ich als Oberbürgermeister zum Austausch einladen, um über Herausforderungen und gemeinsame Ziele zu sprechen. Ich mache das, weil mir das wichtig ist und zu meinem Amtsverständnis gehört.

Antwort Raymond Fojkar:
Das Ehrenamt ist der wichtigste Pfeiler in der Selbsthilfe, und seine Wirksamkeit kann nur durch eine solide hauptamtliche Unterstützung gewährleistet werden. Ohne eine kontinuierliche Bereitstellung ausreichender hauptamtlicher Ressourcen bleibt ehrenamtliches Engagement nicht nachhaltig und verpufft letztendlich. Dies gilt für alle Bereiche, die maßgeblich vom Ehrenamt abhängen, sei es im Sport, in der Kultur oder im sozialen Engagement. Es ist daher von entscheidender Bedeutung sicherzustellen, dass ausreichende hauptamtliche Ressourcen in all diesen Bereichen vorhanden sind.

Im Jahr 2009 habe ich mich unter dem Motto „Der größte Schatz unserer Stadt ist das Engagement und die Vielfalt unserer Menschen“ zur Wahl gestellt. Die Förderung dieses Engagements ist eine vorrangige Aufgabe der Politik. Als Oberbürgermeister möchte ich diese Bemühungen besonders unterstützen und ehrenamtliche Kräfte verstärkt in politische Entscheidungsprozesse zur Förderung mit einbeziehen.

Die aktuellen Entwicklungen, insbesondere auf europäischer Ebene, stellen viele Vereine und engagierte Personen vor Herausforderungen. In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass die Kommune ebenfalls Verantwortung übernimmt und die Vereine beispielsweise bei der Erstellung von Steuererklärungen oder Anträgen unterstützt.

2. Das Versorgungsnetz für chronisch kranke Menschen muss ausgebaut werden und die Ärzte miteinander/untereinander mehr vernetzt werden! (Zugriff auf Krankenakte, schnellere Termine in Praxen oder Kliniken, Entlass Management)
Planen Sie dafür konkrete Maßnahmen und wenn ja, welche?
3. Welche Voraussetzungen (z.B. inhaltliche Konzepte und Planstellen) werden Sie schaffen, damit das medizinische Personal (Ärzte und Pflegepersonal) der UMM die zeitlichen Voraussetzungen hat, jederzeit auf Fragen der Patient:innen im Sinne einer qualitativen Beratung im Akutfall und in der Nachsorge einzugehen?

Antwort Isabell Belser:
Zu 2
Digitale Krankenakten sind hier wichtig, einschließlich eines gesicherten Austauschs mit Zustimmung der Patient:innen. Schnellere Termine setzen im Bereich der niedergelassenen Ärzt:innen eine Verteilung über das Stadtgebiet (bessere Gesundheitsversorgung in den Sozialräumen IV und V) voraus und im Bereich der Ambulanzen eine bessere personelle Ausstattung.
Zu 3
Die personelle Ausstattung der Kliniken wie auch der UMM muss dringend verbessert werden – ein altes Thema. Es ist eng verwoben mit der Systematik der Krankenhausfinanzierung, die dringend geändert werden muss (Abschaffung des DRG-Systems), und mit einer Aufwertung der Pflegearbeit.
Die Überökonomisierung v.a. auch der UMM hat in der Vergangenheit große Schäden verursacht, insbesondere in der Überlastung des Personals.
Die möglichst enge Verbindung auf Augenhöhe der UMM mit der Uniklinik Heidelberg halte ich für dringend erforderlich. Die Belange des Personals und die Balance zwischen Forschung und medizinischer Versorgung muss eingehalten werden. Die Patient:innen müssen im Mittelpunkt stehen.
Viele der zu lösenden Probleme sind nicht auf kommunaler Ebene angesiedelt. Als OB werde ich dafür sorgen, dass die Stimme der kommunalen Träger gestärkt und auf allen Ebenen deutlich gehört wird.
 
Antwort Thorsten Riehle:

2. Hier ist zuallererst die Digitalisierung im Gesundheitswesen gefragt. Es ist schwierig, dass jeder Arzt/jede Ärztin Patientendaten neu erhebt, ohne auf die vorhandenen Daten zugreifen zu können. Das ist zeit- und kostenaufwendig und zudem technisch nicht mehr zeitgemäß. Hier machen andere Länder uns vor, wie es geht.
Zu beachten ist, dass wir auf kommunaler Ebene wenig Handlungsspielraum haben. Allerdings gibt es Modellregionen wie Hamburg, in denen die Digitalisierung bereits erprobt und eingesetzt wird. Hier würde ich gerne die Möglichkeiten besprechen, ob wir mit unserer besonderen Lage in der Metropolregion und der Infrastruktur, die wir vorhalten, nicht ebenfalls Modellregion werden könnten, um die elektronische Krankenakte aber auch Terminvergaben und sonstige medizinische Anforderungen zu digitalisieren. Jedoch bleibt es für mich wichtig, auch für diejenigen Sorge zu tragen, die keinen Zugang zur Digitalisierung haben. Hier braucht es eine abgestimmte Vorgehensweise.

3. Das UMM wird mit der Universitätsmedizin Heidelberg einen Verbund bilden. Im Zuge dieser Zusammenlegung wird es Veränderungen geben, auf die wir als Stadt Einfluss haben müssen. Außerdem wird die anstehende Gesundheitsreform des Bundesgesundheitsministers, die u.a. die Reformierung der Fallpauschale vorsieht, einige Entspannung bewirken. Das sind zunächst einmal Grundvoraussetzungen, um die Finanzierung zu verbessern. Ich erhoffe mir sehr, dass es dadurch gelingt, die Strukturen für Notfallversorgung und Nachsorge zu verbessern und noch besser zu vernetzen. Für mich wäre es sinnvoll, die Expertise der jeweiligen Kliniken so zu stärken, dass sie maximal für das Patientenwohl in der Prävention aber auch der Nachsorge eingesetzt werden. Das hat für mich Priorität, da nur dadurch eine Verbesserung der Betreuung gewährleistet werden kann. Dazu braucht es belastbare Strukturen, die ich anregen und zugänglich machen will.

Antwort Raymond Fojkar:
Die Großstädte denken, dass die ärztliche Versorgung nur in ländlichen Gebieten unter Druck gerät, dies ist jedoch nicht der Fall. Das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ist relativ hoch, was zur Folge hat, dass wir in den kommenden Jahren vor einer Pensionierungswelle stehen und somit zunehmende Versorgungsprobleme im ambulanten Bereich entstehen. Daher wird es noch dringender, aktuelle Fragen wie z.B. die Sektorengrenzen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung zu überwinden. Als niedergelassener Facharzt habe ich viele Ideen, wie diese Sektorengrenzen anders gestaltet werden können. Als Kommunalpolitiker weiß ich, dass diese Grenzen nicht nur zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Praxen bestehen, sondern auch zwischen dem Gesundheits- und dem sozialen Bereich der Stadt. Eine Idee, die ich daher aufgreifen möchte, ist ein kassenärztliches Innovationsprojekt, bei dem Kinderärzte die Möglichkeit haben, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter direkt in die Praxen zu bestellen, um gemeinsam mit den betroffenen Familien weitere Hilfsangebote zu finden und diese zu unterstützen. In Mannheim gäbe es die Möglichkeit, dieses Projekt auch auf die Versorgung von chronisch Behinderten, alten und einsamen Menschen auszuweiten, damit auch sie davon profitieren. Auch sinnesbeeinträchtigte Menschen sollen sowohl in Notfallsituationen als auch bei stationärer Hilfe unterstützt werden. Dafür sollen in Absprache mit den leitenden Ärztinnen und Ärzten der zentralen Notaufnahme, der Geschäftsführung des Klinikums und Vertretern der Selbsthilfe entsprechende Lösungen gefunden werden.

4. In Mannheim gibt es seit 2021 einen Hitzeaktionsplan (https://www.staedteregionaachen.de/fileadmin/user_upload/A_53/Dateien/mannheimer_hitzaktionsplan.pdf ).
Was ist davon bereits umgesetzt? Wie energisch werden Sie im Fall ihrer Wahl noch ausstehende Maßnahmen vorantreiben?
5. Schwer lungenkranke Menschen reagieren besonders sensibel auf Feinstaub in der Luft. Welche Maßnahmen werden Sie im Fall ihrer Wahl ergreifen, um die Feinstaubbelastung in Mannheim, insbesondere an verkehrsreichen Straßen, zu senken?
6. Schwer lungenkranke Menschen reagieren auch besonders sensibel auf erhöhte Ozonwerte, wie sie bei starker Hitze auftreten, und sind generell gefährdet, vorzeitig zu versterben bei Hitzewellen. Was werden Sie im Fall ihrer Wahl tun, um die im wahrsten Sinne des Wortes „Hotspots“ in Mannheim zu identifizieren?

Antwort Isabell Belser:
Zu 4
Mannheim zählt aufgrund seiner geographischen Lage und der klimatischen Eigenschaften zu den am stärksten von Hitzetagen und tropischen Nächten belasteten Städten in Deutschland. Im Zuge des Klimawandels wird sich die Belastung weiter erhöhen. Befördert wird dies dadurch, dass Mannheim
die am zweitstärksten versiegelte Stadt Deutschlands ist, was eine vor Kurzem veröffentlichte Untersuchung gezeigt hat. Der Hitzeaktionsplan umfasst zahlreiche Maßnahmen, die v.a. gesundheitlich beeinträchtigte Menschen schützen, aber auch alle Menschen in Mannheim für die Gefahren von Hitze sensibilisieren sollen. Daher ist dessen Umsetzung für mich ein wichtiger Baustein zum Gesundheitsschutz aller Mannheimer:innen. Von den zehn übergreifenden und 21
zielgruppenspezifischen Maßnahmen sind bisher einige umgesetzt oder angestoßen worden (z.B. Ü1: Webseite der Stadt als Informationsknotenpunkt zum Thema Hitze oder Ü8: Zusammenstellung von Informationen zu kühlen Orten). Die meisten sind jedoch als permanent fortlaufender Prozess gedacht und überwiegend in Zusammenarbeit mit Dritten umzusetzen (z.B. B2: Hitzeangepasste Betreuungsschlüssel oder O3: Wasser für wirtschaftlich Schwächere in Gastronomie und Einzelhandel), für die vonseiten der Stadt finanzielle Unterstützung oder Anreize geschaffen oder deren Bereitschaft vorhanden sein muss.
Zu 5
Wesentliche Punkte sind für mich die Verkehrsberuhigung der City, die Stärkung und ökologische Umrüstung (Busse) des ÖPNV (auch e-Auto-Individualverkehr verursacht Feinstaub durch Reifenabrieb) , Unterbindung des LKW-Durchgangsverkehrs, mehr Grün und Fortsetzung des Baumpflanzprogramms.
Zu 6
Weiterführung des mikroklimatischen Katasters in Mannheim. Schutz und Ausbau der „Kälteinseln“ in der Stadt. City und dicht bebaute Stadtteile: Dachbegrünung wo möglich unterstützen und bei öffentlichen Gebäuden durchführen, ebenso Fassaden- und Innenhomegrünung.

Antwort Thorsten Riehle:
4. Mannheim gehört zu den heißesten Städten Deutschlands. Insbesondere Kranke, Kinder und Alte leiden darunter. Deshalb ist der Hitzeschutzaktionsplan vom Gemeinderat verabschiedet worden, was ich ausdrücklich begrüße. Er sieht z. B. das Aufstellen von Trinkwasserbrunnen vor. Einer wurde bereits auf dem Alten Messplatz errichtet, ein weiterer folgt in Kürze. Neben der Errichtung von Trinkwasserbrunnen wird außerdem im Rahmen der SMARTilienceGoesLive online über Verschattungsorte informiert („Kühle-Orte-Karte“). Diese wurden im Rahmen eines Beteiligungsprojekts ermittelt. Es gibt zudem aktuell einen Antrag der SPD-Fraktion für Hitzeschutzmaßnahmen in Mannheimer Kitas, damit gerade unsere Jüngsten gut geschützt werden. Für mich ist es ein großes Anliegen, gerade in den verdichteten Siedlungsgebieten für mehr Verschattung zu sorgen, die nicht nur durch Baumpflanzungen erfolgen soll. Die Installation von Sonnensegeln und die Öffnung von kühlen Orten in öffentlichen Räumen an besonders heißen Tagen halte ich für sinnvoll.

5. Ich befürworte den Ausbau des Radwegenetzes sowie des ÖPNV, nicht zuletzt auch, um die Feinstaubbelastung zu verringern. Wir sind auf dem richtigen Weg, die Zahlen sind zurückgegangen, aber natürlich noch nicht dort, wo sie sein sollen. Auch wenn das Hauptziel bleibt, den Feinstaub zu reduzieren, möchte ich gerne über Hilfsmöglichkeiten nachdenken. So haben andere Städte mit sogenannten „City Trees“, das sind Moosfilteranlagen im öffentlichen Raum, bereits erste Erfahrungen gemacht. Diese möchte ich mir gerne anschauen und prüfen, ob wir auch in Mannheim damit eine Verbesserung erreichen können.

6. Der Hitzeschutzaktionsplan ist auch bei diesem Thema ein wichtiges Instrument zur Bewahrung vulnerabler Bevölkerungsgruppen vor hitzebedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen. Wichtig ist auch hier die umfangreiche Information der Betroffenen. Deshalb ist eine Informationskampagne wichtig, außerdem lässt sich die „Kühle-Orte-Karte“ ausbauen.

Antwort Raymond Fojkar:
Mannheim hat zwar einen Hitzeschutzaktionsplan, aber viele Maßnahmen wurden noch nicht umgesetzt oder befinden sich noch in einem frühen Planungsstadium. Vor allem in Bezug auf die Frage nach mehr Bäumen in der Stadt, die sowohl das Klima positiv beeinflussen als auch Möglichkeiten zur schnellen Abkühlung und Versickerung bieten, möchte ich mich als Oberbürgermeister dafür einsetzen.

Insbesondere lungenkranke Menschen leiden unter den klimatischen Veränderungen in der Stadt, zum Beispiel aufgrund der hohen Feinstaubbelastung durch den Verkehr. Es ist wichtig, diese Belastung zu reduzieren, um bis 2030 eine um 20% verringerte Anzahl von Autos in der Stadt zu erreichen. Dafür müssen der öffentliche Personennahverkehr, die Elektromobilität und das E-Carsharing vorangetrieben werden.

Die Erhebung von Daten und Statistiken ist ebenfalls wichtig zur Verringerung von Feinstaub, um gezielte Eingriffe vornehmen zu können. Dadurch kann einerseits an Hotspots der Verkehr reduziert und andererseits durch Befeuchtung oder andere Maßnahmen die Schadstoffe aus der Luft entfernt werden.

Neben der Belastung durch Feinstaub spielt auch Hitze eine große Rolle. Es ist wichtig, Vorkehrungen zu treffen, damit hitzeempfindliche Personen, insbesondere Kinder, aber auch ältere Menschen Möglichkeiten haben, Kühlung und Entspannung zu finden. Dafür benötigen wir öffentliche Räume sowie moderne Technik wie Wärmepumpen, die im Sommer Kühle in Innenräume bringen können. Eine neue Stadtbibliothek und ehemalige kirchliche Gebäude bieten hierfür Möglichkeiten.

7. In Mannheim ist es für Menschen, die nicht zielgerecht lernen können und als „geistig behindert“ gelten, immer noch nicht möglich, Berufsbildung außerhalb der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) zu erhalten. Wir fordern Inklusion an beruflichen Schulen für junge Menschen auch mit „geistiger Behinderung“, so dass ihnen Arbeit inmitten der Gesellschaft und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird.
Haben Sie Ideen, was Sie konkret dazu beitragen können, um die Umsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtung, die sich aus der UN-BRK ergibt – insbesondere das Recht auf Arbeit außerhalb der WfbM – in Mannheim voranzutreiben?

Antwort Isabell Belser:
Vernetzung mit Trägern von Inklusionsbetrieben jeglicher Art zur proaktiven Gründung und Förderung solcher Betriebe in Mannheim. Darüber hinaus Intensivierung der Zusammenarbeit mit IHK und HWK zur Errichtung von Ausbildungsstellen für Menschen mit (auch geistigen) Behinderungen. Dafür Installation eines Supports für Arbeitgeber, die solche Ausbildungsplätze
anbieten.
Die Inklusion an beruflichen Schulen unterliegt den gleichen Aufgabenstellungen wie diejenige an allgemeinbildenden Schulen: Erhöhung des Personalschlüssels, Einsatz von geeignetem pädagogischen Personal, Anwendung von Erkenntnissen der Pädagogik und Lernorganisation an Gemeinschaftsschulen.
 
Antwort Thorsten Riehle:
Inklusion darf kein leeres Schlagwort sein und was in Schulen erreicht ist bzw. angestrebt wird, muss seine Fortsetzung im Berufsleben finden. Mit anderen Worten: Wir müssen dort, wo es möglich ist, inklusive Arbeitsplätze schaffen, um dieses „mitten in der Gesellschaft“ zu verwirklichen. Dieses Ziel können wir als Kommune nicht allein erreichen. Ich plane eine Kampagne, zusammen mit der Handwerkskammer und der IHK, um Betriebe zu sensibilisieren. Dazu ist es aber natürlich notwendig, dass Inklusion auch in der Berufsbildung und damit den beruflichen Schulen eine Rolle spielt. Die Kommune als Schulträger muss dafür, wo es notwendig ist, bauliche Voraussetzungen schaffen. Wichtig wird es aber auch sein, dass sich – dort wo noch nicht geschehen – die Schulgemeinschaften dem Thema öffnen. Deshalb schlage ich einen regelmäßigen Austausch zu dem Thema unter Einbezug von freien Trägern und der Verwaltung vor, um die Sensibilisierung zu gewährleisten. Inklusion scheitert ganz oft an praktischen Hürden, deshalb wäre es mir wichtig auch die Kostenträger an einem solchen Austausch zu beteiligen.
 
Antwort Raymond Fojkar:

Barrierefreiheit bedeutet mehr als nur sicherzustellen, dass alle Menschen mobil sein können, auch diejenigen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Mobilität sollte weitreichend verstanden werden: als Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, Zugang zu den von der Stadt bereitgestellten Informationen zu haben und am sozialen und kulturellen Leben unserer Stadt teilhaben zu können. Ich möchte diese Aspekte vorantreiben, damit auch diejenigen, die große Schwierigkeiten haben, nicht von der Gesellschaft unserer Stadt vergessen werden, sondern ein integraler Teil von ihr sind.

Ich erinnere an meinen Vorschlag bezüglich Hausärztinnen und Hausärzte, weiteren unterstützenden Berufsgruppen und engagierten Ehrenamtlichen, um diesen Personen tatsächlich Möglichkeiten und Hilfsangebote bieten zu können und sie gezielt zu fördern. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Menschen mit geistiger Beeinträchtigung auch außerhalb von Werkstätten für Behinderte Möglichkeiten zur Ausbildung und Arbeit finden. Dabei sollten neben Arbeitgebern auch Vertreterinnen sozialer Einrichtungen einbezogen werden, um ein System zu schaffen, das jeden Einzelfall prüft und gemeinsam mit den Betroffenen klärt, wie eine sinnvolle Integration in den Bereichen Arbeit, Wohnen sowie Teilhabe an Freizeit, Kultur und Sport ermöglicht werden kann.

8. Auf dem Gelände der ehemaligen Spinelli-Kaserne werden einzelne neue Wohnprojekte und Wohnformen realisiert. Ein inklusives Wohnprojekt für Menschen mit geistiger Einschränkung fehlt dabei.
Wie wollen Sie Wohnangebote mit inklusiven Wohnformen für diese Menschen in Mannheim realisieren?
9. Neben barrierearmen Wohnungen ist es auch wichtig Wohnquartiere barrierearm zu planen bzw. umzubauen. (z.B. barrierearme Begegnungsmöglichkeiten, Spielplätze für jedes Alter, Vernetzung von Schulen und Vereinen hinsichtlich Barrierefreiheit und Inklusion)
Welche weiteren inklusiven Projekte sind Ihnen als neue:r Oberbürgermeister:in wichtig?

Antwort Isabell Belser:
Zu 8
Dort, wo solche Wohnprojekte entstanden sind, z.B. in Freiburg, basieren sie auf einer Kooperation Gemeinschaftlicher Wohnprojekte mit Trägern der Unterstützung für Menschen mit geistigen Behinderungen. Das setzt eine wesentlich bessere Unterstützung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten in Mannheim voraus. Im Übrigen ist die Anmietung von Wohnungen entsprechender Träger für betreute WGs inmitten belebter Wohngebiete ebenfalls anzustreben.
Zu 9
Neben der Anwendung der Grundsätze für barrierefreie Quartiersplanung ist die Einbeziehung z.B. der Beauftragten der Stadt für Menschen mit Behinderungen sowie der AGB und weiterer Selbsthilfegruppen im Planungsstadium erforderlich. Besondere Bedeutung haben diese bei der Verbesserung von Bestandsquartieren. Es müssen dann auch die finanziellen Mittel für erforderliche bauliche Änderungsmaßnahmen bereitgestellt werden.

Antwort Thorsten Riehle:
8. Der Mannheimer Gemeinderat hat im Mai 2022 ein Handlungskonzept Inklusion und Barrierefreiheit verabschiedet. Darin ist auch bezahlbares Wohnen ohne Barrieren ein zentrales Thema. So wie dieses Handlungskonzept insgesamt im Rahmen eines breiten und intensiven Beteiligungsprozesses entstanden ist, so müssen auch die Umsetzungsschritte wie inklusives Wohnen für Menschen mit geistiger Einschränkung im Diskurs mit den Betroffenen und deren Vertreter*innen erfolgen. In einem solchen Prozess ist aus meiner Sicht auch zu klären, ob separate Angebote für bestimmte Bedarfsgruppen sinnvoll sind, oder ob nicht tatsächlich inklusive Modelle zu bevorzugen sind.

9. Auch hier ist der Hinweis auf das bereits beschlossene Handlungskonzept angebracht. Es orientiert sich an der UN-Behindertenrechtskonvention ebenso wie am Leitbild 2030 der Stadt Mannheim auf der Grundlage der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Auf dieser Basis umfasst es alle Bereiche des Alltagslebens: vom Wohnen über Bildung und Ausbildung, Sport und Kultur bis hin zu Arbeitsplätzen, barrierefreier Kommunikation und Zugang zu allen kommunalen Angeboten. Es gibt in der Verantwortung der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung den Runden Tisch Inklusion, an dem in diesem Kontext betroffene, kompetente und aktive Vertreter*innen der Stadtgesellschaft engagiert sind. Meine Aufgabe sehe ich in erster Linie darin, diese Strukturen und die daran Beteiligten in ihren Anliegen zu unterstützen und zu stärken.

Antwort Raymond Fojkar:
Bei den Konversionsflächen dürfen Menschen mit kognitiven oder kommunikativen Beeinträchtigungen nicht vergessen werden. Der aktuelle Markt bietet sich dafür an, da der Bauboom abflacht und die entsprechende Konjunktur sich abkühlt. Dadurch entsteht die Möglichkeit, neben genossenschaftlichen Wohnprojekten auch vermehrt sozial orientierten Wohnprojekten eine Chance zu geben. Ich werde mich vor allem bei der GBG und ihrer Tochtergesellschaft MBSP, die als Projektentwicklerin für Konversionsflächen tätig ist, gezielt dafür einsetzen.

Noch wichtiger für die Schaffung von ausreichendem Wohnraum sehe ich die Notwendigkeit, Altbauten zu berücksichtigen. Es ist wichtig, diesen Wohnungsbestand

10. Die Stadtverwaltung hat immer mehr Bereiche, die digitalisiert werden (z.B. im Bürgerdienst).
Wie nehmen Sie ältere Menschen, Blinde, Gehörlose, Legastheniker, Menschen mit Migrationsgeschichte in dieser Entwicklung mit und informieren diese entsprechend? Damit ist nicht die Verschriftlichung gemeint, sondern „Learning by doing“ (Ältere, Behinderte können evtl. keinen außerhäuslichen Kursbesuchen oder leben alleine.)

Antwort Isabell Belser:
Je weiter die Digitalisierung fortschreitet, umso mehr müssen Strukturen für den „Rest“ der Gesellschaft aufgebaut werden, die sich überhaupt nicht an der Digitalisierung beteiligen können / wollen (z.T. demografisches Problem, z.T. Probleme aus Behinderungen). Das Recht auf „Verschriftlichung“ muss erhalten bleiben. Dort, wo digitale „Mitnahme“ möglich / gewünscht ist, wäre auf ehrenamtlicher Basis (mit Ehrenamtspauschale) ein Besuchs- oder Begleitdienst aufzubauen (z.B. Studierende und Senior:innen, die digital bewandert sind).

Antwort Thorsten Riehle:
Es gibt bereits eine Reihe von Angeboten für die genannten Personengruppen, zum Beispiel das Angebot der Abendakademie. Auch gibt es entsprechende städtische Programme. Da diese nicht ausreichen, setze ich mich hier für einen Ausbau ein. Dieser könnte in einem Intergenerationen-Projekt bestehen, bei dem beispielsweise junge Menschen die genannten Personengruppen im Umgang mit Computern und Programmen schulen, etwa in Form eines freiwilligen sozialen Jahrs oder als Bundesfreiwillige.

Antwort Raymond Fojkar:
Teilhabe bedeutet heutzutage auch, grundlegende Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien zu besitzen. Viele Menschen, insbesondere ältere Menschen, haben jedoch Schwierigkeiten in diesem Bereich. Daher ist es wichtig, Unterstützung zu leisten und entsprechende Angebote zu schaffen. Dies ermöglicht denjenigen, die alleine und isoliert leben und sich diese Kenntnisse nicht selbst aneignen können, Zugang zu grundlegenden digitalen Fähigkeiten zu erhalten und die Angebote einfach und effektiv nutzen zu können. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Projekt in Frankenthal, wo ein Jugendtreff tagsüber als Seniorentreff dient und am Nachmittag ein Ort des generationenübergreifenden Austauschs ist, der auch den Umgang mit digitalen Medien thematisiert.

Ähnliche Projekte sind auch in Mannheim erforderlich, um den Kontakt und den Zusammenhalt zwischen den Generationen zu fördern und zu stärken.

BH / Letzte Änderung: 12.06.2023